Wa(h)re Funktionskleidung

Funktionale Kleidung braucht heute nicht mehr zwangsläufig umweltschädliche Stoffe, Imprägnierungen und Produktionsweisen. Das meint Huffington-Post-Autorin Alexandra Hildebrandt.

Gastartikel von Alexandra Hildebrandt

2013 stellte der Öko-Pionier hessnatur seinen ersten Bericht zur Nachhaltigkeit vor. Marc Sommer, Vorsitzender der Geschäftsführung, antwortete damals auf die Frage nach den größten Herausforderungen für sein Unternehmen: Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich Funktionskleidung, die heute mit öko-fairer Mode noch nicht vollständig umsetzbar sei. Dass eine völlig umweltneutrale Funktionskleidung eine Wunschvorstellung ist, bestätigen zudem zahlreiche Publikationen zum Thema. Denn Funktionskleidung im herkömmlichen Sinn besteht hauptsächlich aus Kunstfasern wie Polyester.

Membranen verlangen den Einsatz von Chemikalien

Auf Synthetik kann bei Funktionskleidung kaum verzichtet werden, weil sie leicht und schnell trocknend sein soll. Beim Wetterschutz kommen zusätzlich Membranen ins Spiel, die als Material und im Herstellungsprozess bestimmte Chemikalien erfordern. Fast jedes Bekleidungsstück für den Wetterschutz wird außerdem vom Hersteller imprägniert. Anschließend verwendet der Kunde beim Waschen und Nachimprägnieren weitere Chemikalien. Hochwertige Funktionsmembranen und Imprägniermittel setzen sehr häufig auf Fluor als Bestandteil. Als kritisch gelten vor allem die beiden Verbindungen Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) sowie Perfluoroctansäure (PFOA). Beide sind toxisch, schwer abbaubar und sammeln sich in der Umwelt und im Körper an.

Also ab sofort auf Funktionskleidung verzichten? Das Outdoor-Unternehmen VAUDE weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass die gesamte Outdoorbranche nur einen Bruchteil der weltweit freigesetzten so genannten perfluorierten Chemikalien (PFC) verursacht. Sie werden in zwei Bereichen eingesetzt: als Hilfsmittel zur Herstellung von PTFE-Membranen und als Imprägnierung des Oberstoffs, die Produkte wasser-, schmutz- und ölabweisend macht.

Kein einheitliches Zertifikat für umweltfreundliche Textilien

In der Outdoorbranche gibt es inzwischen zwar viele nachhaltige Produkte, doch fehlt bislang eine „neutrale“ Bewertung der einzelnen Labels in einem nachhaltigen Gesamtkontext. Ein einheitliches Zertifikat für umweltfreundliche textile Produkte ist bislang Fehlanzeige. So lässt sich oft nur schwer überprüfen, inwiefern das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit aus der Branche selbst kommt – unabhängig von aufwändigen Werbekampagnen und Testimonials, die den Konsum ankurbeln sollen.

Einen ersten Schritt nach vorne hat VAUDE gemacht. Als erstes europäisches Outdoor-Unternehmen veröffentlicht es einen Nachhaltigkeitsbericht nach dem internationalen Standard der Global Reporting Initiative (GRI) G4. Damit legt es seine ökonomische, ökologische und soziale Leistung anhand vergleichbarer Kennzahlen offen. Seit 2008 berichtet VAUDE jährlich über seine Umweltleistung nach dem europäischen Umwelt-Standard EMAS. Des Weiteren legt der Produzent von Bergsportausrüstung einen Sozialbericht nach den Kriterien der unabhängigen Fair Wear Foundation (FWF) vor, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie weltweit einsetzt.

Welche Fragen sich Käufer von Outdoorkleidung stellen sollten

Trotzdem können Nachhaltigkeitsstrategien einzelner Marken vom Verbraucher weiterhin oft nur schwer eingeschätzt werden. Notwendig wäre eine vollständige Kontrolle der Herstellungskette zur Bewertung und Optimierung unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Käufer nehmen auf diesem Weg eine wichtige Rolle ein. Es geht vor allem um Fragen wie:

  • Was brauche ich wirklich?
  • Muss Funktionskleidung unbedingt auf extremste Anforderungen und Bedingungen ausgelegt sein?
  • Kann ich auf ein Hightech-Teil und die perfekte Imprägnierung verzichten?
  • Ist weniger Performance am Ende nicht mehr?

Eine Outdoorjacke aus Bienenwachs

Funktionale Kleidung braucht heute nicht mehr zwangsläufig umweltschädliche Stoffe, Imprägnierungen und Produktionsweisen. Es gibt Materialien, die human- und umwelttoxikologisch unbedenklich sind. hessnatur etwa hat einen Bienenwachsparka als Outdoorjacke entwickelt und dafür weder Synthetikfasern noch erdölbasierte Paraffine sowie toxische Fluorcarbone für die Wachsimprägnierung verwendet. Nach Angaben des Unternehmens wird die Baumwolle für die Jacke biologisch angebaut, das heißt sie wächst ohne den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden. Ebenso wie die Schurwolle für das Innenfutter erhalte sie keine umweltbelastende Hochveredelung wie beispielsweise Fluorcarbone, und auch beim Färben würden unbedenkliche Farbstoffe verwendet. Durch diese Herstellungsmethode sei der Parka, so hessnatur, biologisch abbaubar.

Fazit

Das Thema Funktionskleidung ist hoch komplex. Am Beispiel der Chancen und Herausforderungen zeigt sich, dass ein ganzheitlich ausgerichteter Prozess am Ende nachhaltiger ist als ein Projekt, und dass „wahre Produkte“ eine Geschichte haben. In ihr offenbart sich auch das Wesen eines Unternehmens.

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